Recht & Verwaltung17 Juni, 2020

Digitales Arbeiten als Chance

Interview mit Manuela Manuela Reibold-Rolinger

Von zuhause aus arbeiten – ein Ansatz, der bei Anwälten nicht sehr weit verbreitet war, der aber mit dem Corona-Lockdown für viele Kanzleien überlebenswichtig wurde. Von einem Tag auf den anderen mussten sie aus der über Jahrzehnte gelernten anwaltlichen Präsenzkultur ein coronataugliches Homeoffice-Konzept machen. Unerlässlich dafür: digitale Anwendungen und Prozesse. Manuela Reibold-Rolinger ist Fachanwältin für Baurecht mit eigener Kanzlei in Bodenheim bei Mainz, Schlichterin, aus zahlreichen Service- und Unterhaltungsformaten einem breiten TV-Publikum bekannt und hat ihre Kanzlei schon vor Jahren ins digitale Zeitalter geführt. Im Interview mit Wolters Kluwer Deutschland berichtet sie aus ihrem Arbeitsalltag und warum es für sie schon früh außer Frage stand, auf digitale Lösungen zu setzen.

Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag derzeit? Wie arbeiten Sie mit Ihren Kollegen und Mandanten?

Unser Arbeitsalltag hat sich tatsächlich entschleunigt. Nicht, weil wir weniger zu tun haben – im Gegenteil. Sondern weil wir jetzt die digitalen Möglichkeiten noch mehr und effizienter nutzen als vorher. Natürlich mussten auch wir uns umstrukturieren. Vor dem Lockdown gab es Kolleginnen, die keinen Heimarbeitsplatz wollten, obwohl wir ihnen die Möglichkeit dazu geboten haben. Das betraf vor allem die Rechtsanwaltsfachangestellten. Aber das Gute war, dass wir in der Lage waren, ganz schnell umzustellen. Die Infrastruktur und auch das Know-how waren ja schon lange da. Zwei meiner Mitarbeiterinnen sind wegen der Betreuung ihrer Kinder jetzt darauf angewiesen, zu Hause arbeiten zu können, und wir alle merken: Das tut der Produktivität keinerlei Abbruch.

Den Mandanten haben wir mitgeteilt, dass es derzeit keine persönlichen Termine in der Kanzlei gibt, sondern wir alles auf Videotelefonie umstellen. Sie haben darauf durch die Bank extrem positiv reagiert. Der Vorteil für beide Seiten besteht darin, dass wir so einfache Fragen sehr viel schneller und zeitsparender beantworten können. Oft wollen oder brauchen Mandanten ja auch direkt eine Antwort. Deswegen haben wir jetzt auf unserer Internetseite einen neuen Service freigeschaltet: Dort können Mandanten in Echtzeit sehen, wann ein Zeitfenster frei ist und direkt per Mausklick einen Termin für einen Videocall vereinbaren.

Wie war Ihre persönliche Einstellung gegenüber dem Thema Digitalisierung und die Ihres Arbeitsumfelds vor Corona?

Ich hatte schon immer eine Affinität für digitale Themen. Das sieht man zum Beispiel an unserer Internetseite. Eine Internetpräsenz ist ja so etwas wie der Basisbaustein des digitalen Arbeitens und zeigt, wie gut man die digitale Welt und ihre Mechanismen verstanden hat. Für uns ist sie extrem wichtig. Ich kann Kollegen nicht verstehen, die sich darauf beschränken, dort ihre analogen Kontaktdaten anzugeben. Wir gewinnen täglich neue Mandate über unsere Internetpräsenz. Natürlich kommt uns da zugute, dass ich aus den Medien bekannt bin, aber auch meine Arbeit für das Fernsehen ging nur dadurch los, dass ich schon 2000 – für Anwaltsverhältnisse sehr früh – eine Homepage hatte. Außerdem arbeite ich mit einer Online-Plattform zusammen, die Hilfe Suchenden online den passenden Anwalt vermittelt. Auch auf diesem Wege bekommen wir täglich neue Mandate.

Online zu arbeiten, ist für mich also schon sehr lange selbstverständlich. Die Bauherrenschulungen, die ich anbiete, waren immer Präsenzveranstaltungen. Das ist derzeit so natürlich nicht mehr möglich. Für mich war es aber aufgrund meiner Erfahrungen kein Problem, diese jetzt als Onlineschulungen anzubieten. Der Bedarf ist ja weiterhin da.

Wo sehen Sie Vorteile und vielleicht auch Grenzen der Digitalisierung für Ihre Arbeit?

Im Zuge meiner Arbeit für den Bauherrenschutzbund mache ich sehr viele Vertragsprüfungen. Das ginge in der Masse und mit der notwendigen Präzision gar nicht mehr analog. Ich habe mittlerweile eine eigene Datenbank mit Vertragsklauseln, die ich dann zügig mit den zu prüfenden abgleichen kann.

Eigentlich funktioniert fast alles digital viel besser: Wie smart ist es zum Beispiel beim Aufsetzen eines Schriftsatzes relevante Textpassagen inklusive der dazugehörigen Fußnoten aus den angebotenen Texten einfach kopieren zu können? Ich diktiere jetzt auch immer schon auf dem Rückweg vom Gericht, die Spracherkennung setzt das automatisiert um, dann muss nur noch Korrektur gelesen werden. Das beschleunigt das Arbeiten unheimlich, schafft Freiraum für fachlich relevante Aufgaben. Auch die Zeiten, in denen ich mit dicken Ordnern zu Gerichtsterminen gefahren bin, sind glücklicherweise dank der elektronischen Akte vorbei. Heute habe ich mein Tablet oder mein Laptop dabei. Das ist schon eine enorme Erleichterung.

Wir haben aber auch weiterhin physische Ordner. Ich gebe auch zu, dass ich bei aller Digitalaffinität auch ganz gern in einer analogen Akte blättere. Das Lesen einer digitalen Akte auf dem Tablet muss man regelrecht lernen. Und auf Wunsch unserer Mitarbeiterinnen haben wir auch weiterhin ein analoges Fristenbuch – parallel zum digitalen. Ihnen ist es wichtig, das zu haben, um nachts ruhig schlafen zu können, obwohl unsere Daten durch Datensicherung und Firewall bestmöglich geschützt sind.

Einen Bereich gibt es allerdings, da sehe ich kein großes Potential für eine Digitalisierung: die Schlichtung. Aus meiner langjährigen Arbeit in diesem Bereich weiß ich, wie wichtig hier das Zwischenmenschliche ist. Die außergerichtliche Streitbeilegung hat so viel mit dem Menschen und der menschlichen Reaktion zu tun, dass man hier meiner Meinung nach nicht digitalisieren kann.

Ein Blick in die Zukunft: Wie geht es mit der Digitalisierung in Ihrem Arbeitsumfeld weiter?

Ich würde mir sehr wünschen, dass die Gerichte von den rechtlich bestehenden Möglichkeiten zur Onlineverhandlung mehr Gebrauch machen. Nach Paragraf 128a ZPO können die Verfahrensbeteiligten ja einen Antrag auf Verhandlung per Videokonferenz stellen. Wenn Sie das vor dem Lockdown gemacht haben, stießen Sie auf erhebliche Hindernisse. Viele Gerichte sind dazu technisch auch nach wie vor gar nicht in der Lage. Dabei würde das gerade in der Frühphase eines Prozesses, in der vor allem Anträge gestellt werden, sowohl die Justiz als auch die Anwaltschaft sehr entlasten – gerade auch in dieser Zeit, in der viele Verfahren immer weiter nach hinten geschoben werden, weil wegen der Einhaltung der Abstandsregeln nicht alle Sitzungssäle zur Verfügung stehen. Ich habe mir fest vorgenommen, in Zukunft viel öfter solche Anträge zu stellen. Ich möchte nicht mehr für eine halbstündige Verhandlung nach München fahren und dafür einen ganzen Arbeitstag investieren müssen.

Ich erwarte aber, dass sich bei vielen Kollegen über den Lockdown hinaus etwas verändern wird. Bis dahin war digitales Arbeiten jenseits von beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) und Word nicht sehr weit verbreitet, aber man sieht erste Entwicklungen. Viele werden lockerer, die Hemmschwelle, zum Beispiel mal eine Besprechung per Videokonferenz zu machen, ist gesunken. Aber natürlich ist es ein Prozess, seine anwaltliche Arbeit zu digitalisieren. Manche Experten sagen, es dauere bis zu zehn Jahre. Immerhin ist vielerorts jetzt mal ein Anfang gemacht.

Für uns ist der nächste Schritt, zu überlegen, ob wir CaseWorx implementieren. Das Programm ist wirklich genial, wir prüfen derzeit, inwieweit es unsere Arbeit noch einmal signifikant vereinfachen würde

Manuela Reibold-Rolinger

Manuela Reibold-Rolinger

Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht

"Die Zeiten, in denen ich mit dicken Aktenordnern zu Gerichtsterminen gefahren bin, sind glücklicherweise dank der elektronischen Akte vorbei"

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