Recht & Verwaltung25 Juni, 2020

Digitalisierung in der Lehre

Felipe Molina Gaviria studiert an der Universität zu Köln Rechtswissenschaften, engagiert sich im Legal Tech Lab Cologne und produziert zusammen mit Mitstudierenden den Podcast „Talking Legal Tech“. Im Interview mit Wolters Kluwer Deutschland spricht er darüber, wie Corona seinen Studienalltag verändert hat, welchen Stellenwert die Digitalisierung schon vorher dabei hatte und ob er sich gut auf einen zunehmend digitaler werdenden juristischen Werdegang vorbereitet sieht.

Wie gestaltet sich Ihr Studienalltag derzeit?

Die Universität zu Köln hat, wie alle anderen Hochschulen bundesweit, den kompletten Lehrbetrieb für das aktuelle Semester auf digitale Veranstaltungen umgestellt, um Studierende und Lehrende zu schützen. Das klappt rein technisch gesehen auch sehr gut. Für die Dozenten ist es natürlich eine große Umstellung, aber die meisten bemühen sich sehr, nicht einfach Frontalunterricht zu machen, sondern die Studierenden einzubeziehen, und die meisten Studierenden arbeiten auch sehr gut und diszipliniert mit. Aber natürlich stößt das auch an Grenzen: Es fehlt die Spontaneität, weil die menschliche Interaktion natürlich begrenzt ist.

Wirklich Leid tun mir die Erstsemester. Die haben sich ihren Studienstart sicher anders vorgestellt. Alles, was in dieser Phase so spannend und wichtig ist – den Campus erkunden, Leute kennen lernen – das fällt in der bekannten Form weg. Die Fachschaften bemühen sich aber, das mit digitalen Angeboten irgendwie zu kompensieren.

Welche Möglichkeiten haben Sie, für Ihr Studium notweniges Material digital einzusehen und zu nutzen und welche Rolle spielt dies für Ihr Fortkommen im Studium?

Wenn man, wie ich, gerade in der Vorbereitung zum ersten Staatsexamen ist, lässt sich das relativ problemlos auch ohne Anwesenheit in der Uni machen. Einige Quellen hat man digital zur Verfügung. Bei speziellerer Literatur sieht das anders aus, was vor allem für Haus- und Seminararbeiten schwierig ist.

Für uns sind juristische Datenbanken essenziell. Über die Uni hat man als Studierender darauf via VPN Zugriff. So erhält man auch auf die digitale Lernplattform der Universität Zugriff, auf der sich zum Beispiel Vorlesungen, Multiple-Choice-Angebote und Klausurensammlungen befinden. Das gab es auch schon vorher, aber es gab für die Dozenten keine Verpflichtung, ihre Vorlesungen digital zur Verfügung zu stellen.

Bitte beschreiben Sie die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf die Fortführung Ihres Studiums und mit welchen Maßnahmen die Universität und Sie persönlich darauf reagiert haben, dass derzeit keine Präsenzveranstaltungen und Bibliotheksbesuche möglich sind?

Für mich persönlich hat sich da gar nicht viel verändert, weil ich schon vorher digital auf viele Materialien Zugriff hatte, die ich zum Lernen brauche. Aber natürlich gibt es auch andere Fälle: Studierende mit Kindern zum Beispiel haben ein Riesenproblem, ihr Pensum neben der Kinderbetreuung zu schaffen. Viele haben ihre Studentenjobs verloren und wissen nicht, wie sie sich finanzieren sollen. Generell darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass bei dem ja wünschenswerten Ausbau der Digitalisierung auch auf Seiten der Studierenden die Mittel vorhanden sein müssen, da mitzugehen. Das ist sicher eine große Herausforderung.

Gut wäre, wenn mehr Fachliteratur digital zur Verfügung stünde. Derzeit ist die Auswahl doch noch eingeschränkt. Ich verstehe nicht, warum wir weiterhin so große Präsenzbibliotheken mit Lehrbüchern haben. Natürlich ist es gut, zwischendurch auch mal ein gedrucktes Buch zu lesen, aber in der Breite wäre die Nutzung digitaler Literatur viel praktischer.

Man sieht aber auch, dass sich etwas tut: Für mich war ein kleines Highlight, dass der Klausurenkurs der Uni Köln, den ich als Prüfungsvorbereitung belegt habe, innerhalb kürzester Zeit von einer Präsenz- zu einer Onlineveranstaltung umgebaut wurde und das auch gut funktioniert. Auch die Arbeitsgemeinschaften im juristischen Kontext laufen jetzt digital.

Wie war Ihre persönliche Einstellung gegenüber dem Thema Digitalisierung und die Ihres Umfeldes (Fakultät, Dozenten, Studierende) vor Corona?

Bei den Leuten um mich herum und bei mir war das Digitale schon immer da, aber auch die Diskussion, wie didaktisch sinnvoll das Ganze ist. Meine Generation gilt ja als die der „Digital Natives“. Aber das führt schnell zu einem grundlegenden Missverständnis. Nur, weil wir in das digitale Zeitalter hineingeboren wurden, heißt das nicht, dass wir automatisch dazu in der Lage sind, uns in jeder digitalen Umgebung zurechtzufinden. Auch wir müssen an die Bedienung konkreter Programme herangeführt werden. Digitalkompetenz ist ein Werkzeug, das beherrscht werden muss, wie Lesen und Schreiben, und da ist die meine Generation weiter weg, als man denken würde.

Unter meinen Dozenten sind viele, die da sehr offen und experimentierfreudig sind. Es gibt auch die, die gern von den Studierenden lernen möchten. Ich sehe auch bei uns Studierenden eine gewisse Verantwortung für den Ausbau der Digitalisierung. Wir müssen die Angebote, die gemacht werden, annehmen, denn sonst heißt es irgendwann: Die Studierenden nutzen die Angebote nicht, lasst sie uns wieder abschaffen. Wichtig ist es, Konzepte zu überdenken und eben auch daran zu denken, den Studierenden Digitalkompetenz beizubringen und sie im Blick zu haben, was später auf dem Arbeitsmarkt relevant sein wird.

Gibt es einen Unterschied zum Stand der Digitalisierung Ihres Studiums vor der Corona-Krise und dem nun damit verbundenen veränderten Arbeitsumfeld?

Die Uni hat da wirklich schnell reagiert und den Studierenden Zugänge zum digitalen Videokonferenz-Tool zur Verfügung gestellt. Für unseren Fachbereich gilt: Rechtswissenschaft ist eine recht konservative Wissenschaft. Die Möglichkeiten zur Digitalisierung gab es natürlich auch hier schon länger, aber man hat gewisse Tools zum Beispiel mit Verweis auf den Datenschutz nicht einzusetzen wollen. Nun geht es aber nicht anders. Das Legal Tech Lab Cologne und die Fachschaft Jura möchten die Weiterentwicklung der Digitalisierung bei uns im Fachbereich fördern. Deshalb haben wir jetzt sogar einen Preis für digitale Lehre ausgelobt. (Weitere Informationen zu dem Preis: https://legaltechcologne.de/preis-fuer-digitale-lehre)

Ein erster Blick in die Zukunft: Wie wird es in Sachen Digitalisierung im Jurastudium nach Corona weitergehen?

Ich sehe die Gefahr, dass dann wieder zurückgerudert wird, und zwar in einem größeren Maß als nötig. Wenn sich nach Ende der Kontaktbeschränkungen herausstellen sollte, dass, zu wenige Studierende die digitalen Angebote annehmen und etwa digitale Vorlesungen nicht ausreichend live gestreamt werden, könnte das ein Anlass für die Uni sein, wieder verstärkt auf Präsenzveranstaltungen zu setzen. Ich sehe aber auch eine Chance, über eine konsequente Digitalisierung das Profil der Uni zu schärfen und sehr deutlich auf Zukunftstechnologien auszurichten.

Ein zweiter Blick in die Zukunft: Welche Rolle wird die Digitalisierung in Zukunft im juristischen Arbeitsalltag spielen und für wie gut halten Sie persönlich die aktuellen Jurastudierenden darauf vorbereitet, bei dieser mithalten oder sie sogar mitgestalten zu können?

Ich persönlich halte mich vielleicht für etwas besser auf eine von Digitalisierung geprägte juristische Arbeitswelt vorbereitet als manchen meiner Kommilitonen, einfach, weil ich das persönliche Interesse an digitalen Themen mitbringe, den Einsatz von Digitalisierung im juristischen Umfeld schon länger verfolge und in unserem Legal-Tech-Podcast „Talking Legal Tech“ ja auch aktiv begleite. Generell ist da bei vielen Studierenden aber auch eine große Skepsis vorhanden, weil es immer wieder heißt, dass einer der Berufe, der durch Künstliche Intelligenz langfristig ersetzbar sein könnte, der des Juristen sei.

Solche pauschalen Aussagen halte ich aber für falsch, und man muss verhindern, dass Studierende durch solche Aussagen frustriert werden.

Generell ist das Interesse an Legal Tech und damit auch die Offenheit für neue Dimensionen juristischer Berufsbilder unter den Studierenden meiner Erfahrung nach schon recht hoch. Aber es gibt auch immer noch Verständnisschwierigkeiten, was damit eigentlich gemeint ist. Bei vielen kommt die Beschäftigung mit Legal Tech erst aus der Praxis heraus, wenn sie zum Beispiel in Kanzleien viele repetitive Tätigkeiten durchführen und dann hinterfragen, ob es nicht Möglichkeiten gibt, solche Tätigkeiten zu optimieren oder zu automatisieren.

Felipe Molina Gaviria
Felipe Molina Gaviria
Studierender der Rechtswissenschaft
Universität zu Köln
"Nur, weil wir in das digitale Zeitalter hineingeboren wurden, heißt das nicht, dass wir automatisch dazu in der Lage sind, uns in jeder digitalen Umgebung zurecht zu finden."
Back To Top